Wenn jemand verstirbt, unabhängig davon, ob diese Person ein Testament hinterlassen hat oder nicht, können die zur Erbschaft berufenen Personen in ihrer Eigenschaft als testamentarisch bestimmte oder gesetzliche Erben bzw. in ihrer Eigenschaft als testamentarisch ernannte Vermächtnisnehmer die Erbschaft, zu der sie berufen wurden bzw. das zu ihren Gunsten vermachte Vermächtnis annehmen oder dieses ausschlagen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Erben und einem Vermächtnisnehmer?

Der Erbe ist die vom Erblasser in seinem Testament ernannte Person oder, im Fall, dass kein Testament vorliegt, jene, die abhängig vom Verwandtschaftsgrad zu dem Verstorbenen laut Gesetz an deren Stelle tritt, um die Gesamtheit der Güter der Erbschaft oder einen Anteil an denselben zu erhalten.
Hier gilt zu berücksichtigen, dass der Erbe nicht nur die Güter der Erbschaft erhält, sondern ebenfalls mit seinen eigenen Gütern für die Verbindlichkeiten derselben haftet, es sei denn dieser hat die Erbschaft unter Vorbehalt der Inventarerrichtung angenommen.
Der Vermächtnisnehmer ist jene Person, die der Erblasser in seinem Testament ernannt hat, um eines oder mehrere konkrete Güter des Erbes zu erhalten. Im Gegensatz zum Erben haftet der Vermächtnisnehmer nicht für die Verbindlichkeiten der Erbschaft.
Der Erblasser kann die gleiche Person zum Vermächtnisnehmer konkreter und bestimmter Güter und gleichzeitig zum Erben eines Anteils der verbleibenden Güter des Erbes ernennen. In diesem Fall muss diese Person nicht notwendigerweise die Erbschaft und das Vermächtnis zu ihren Gunsten annehmen sondern kann die Erbschaft annehmen und das Vermächtnis ausschlagen oder umgekehrt.

Wie wird eine Erbschaft angenommen oder ausgeschlagen?

Bei der Annahme und dem Verzicht einer Erbschaft in Spanien handelt es sich um eine Willenserklärung, die die zur Erbschaft berufene Person in dem Sinne durchführt, dass sie Erbe sein will oder nicht. Die Erbschaftsannahme oder die Ausschlagung derselben kann nur nach dem Ableben der Person, um deren Erbe es sich handelt, vorgenommen werden, nachdem derjenige, der die Erbschaft annimmt oder diese ausschlägt die Gewissheit besitzt zur Erbschaft berufen worden zu sein sowie über sein Recht zu erben.
Unter Berücksichtigung der Auswirkung der Erbschaftsannahme kann diese auf zwei Arten erfolgen:
a) die Erbschaftsannahme ohne Inventarerrichtung;
b) die Erbschaftsannahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung.
Die Erbschaftsannahme ohne Inventarerrichtung bedeutet, dass der Erbe nicht nur die Güter erhält, aus denen sich das Erbe zusammensetzt, sondern dass dieser ebenfalls persönlich mit seinen eigenen Gütern für die Verbindlichkeiten derselben haftet.
Wenn der Erbe die Erbschaft unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtungannimmt, haftet dieser nur bis zum Wert des Nachlasses für die mit dem Erbe einhergehenden Schulden. Das bedeutet, dass der Erbe nicht mit seinem eigenen Vermögen für Schulden des Erbes haftet, wenn diese den Wert der Güter desselben übersteigen.

Auch was die Form der Erbschaftsannahme anbelangt gibt es zwei verschiedene Varianten:

  1. stillschweigende Annahme
  2. ausdrückliche Annahme

Die stillschweigende Annahme ist jene, die durch schlüssige Handlungen erfolgt, die notwendigerweise den Willen die Erbschaft anzunehmen voraussetzen oder zu deren Durchführung kein Recht bestünde, sofern die Eigenschaft des Erben nicht gegeben wäre, wobei zu berücksichtigen ist, dass bei Handlungen, die der reinen Instandhaltung oder Verwaltung des Nachlasses dienen, nicht notwendigerweise der Willen die Erbschaft anzunehmen, gegeben ist. Eine Frage, die in Zusammenhang mit der stillschweigenden Erbschaftsannahme häufig aufgeworfen wird, ist, ob die Tatsache, dass einer der zur Erbschaft berufenen Personen die Erbschaftssteuer zahlt, bedeutet, dass dieser die Erbschaft stillschweigend akzeptiert. Die aktuelle spanische Rechtsprechung spricht sich in ihrer Mehrheit für eine negative Beantwortung dieser Frage aus, mit der Begründung dass es sich bei der Zahlung von Steuern um eine gesetzlich vorgeschriebene Obligation handelt, während die Annahme der Erbschaft den wirklichen Willen voraussetzt Erbe sein zu wollen, der anhand schlüssiger und freiwilliger Handlungen des zur Erbschaft berufenen nachgewiesen wird.

Die ausdrückliche Erbschaftsannahme ist jene, die durch eine Willenserklärung, festgehalten in einem privaten Dokument oder einer notariellen Urkunde, zum Ausdruck gebracht wird. Die Annahme der Erbschaft kann gleichzeitig und in dem gleichen Dokument, in dem die Erbteilung formalisiert wird, oder aber in einem gesonderten Dokument vor der Erbteilung durchgeführt werden.

Der Verzicht auf die Erbschaft muss ausdrücklich sein und muss seit dem Inkrafttreten des Gesetzes der freiwilligen Gerichtsbarkeit vom 2. Juli 2015 notwendigerweise in Form einer notarielle Urkunde erfolgen.
Die Annahme oder der Verzicht auf eine Erbschaft beziehen sich auf die Gesamtheit derselben. Es ist nicht möglich einen Teil der Erbschaft anzunehmen und auf den Rest zu verzichten oder bestimmte Güter der Erbschaft zu akzeptieren und auf die übrigen Güter zu verzichten. Im Gegensatz hierzu ist es möglich die Erbschaft anzunehmen und das Vermächtnis auszuschlagen oder anders herum, wenn die gleiche Person sowohl Erbe als auch Vermächtnisnehmer ist. Sowohl die Annahme einer Erbschaft wie auch der Verzicht auf eine solche sind unwiderrufliche Akte, die nach erfolgter Formalisierung nicht rückgängig gemacht werden können.

Wie erfolgt die Annahme einer Erbschaft unter Vorbehalt der Inventarerrichtung?

Das Bürgerliche Gesetzbuch schützt den Erben gegenüber belastenden Erbschaften, bei denen der Betrag der Schulden den Wert der Güter des Nachlasses übersteigen kann, indem diesem erlaubt wird den sogenannten Vorbehalt der Inventarerrichtung anzuwenden.
Die entsprechende Erklärung, dass der Vorbehalt der Inventarerrichtung zur Anwendung kommen soll, muss notwendigerweise bei einem hierzu befugten Notar erfolgen. Der an der Erbschaft Interessierte kann den Notar frei wählen, um diese Erklärung aufzusetzen.
Die Frist für die Anwendung des Vorbehaltes der Inventarerrichtung beträgt 30 Tage ab dem Zeitpunkt, an dem der Erbe von seiner Eigenschaft als solcher Kenntnis erlangt, für den Fall, dass der Erbe alle oder einen Teil der Güter der Erbschaft in seinem Besitz hat oder als Erbe Schritte vorgenommen hat.  Andernfalls beginnt die Frist ab dem auf jenen folgenden Tag, an dem die Frist abläuft, die ihm gewährt wurde, um die Erbschaft anzunehmen oder abzulehnen, wenn er hierzu notariell aufgefordert wurde oder ab dem Tag, an dem er die Erbschaft angenommen hat oder in Bezug auf diese als Erbe gehandelt hat.
Die Person, die den Vorbehalt der Inventarerrichtung nutzen möchte, muss dies unter Vorlage des Erbschaftserwerbstitels (Testament oder Feststellung der gesetzlichen Erben) dem befugten Notar in der genannten Frist mitteilen. Ebenfalls vorzulegen sind der Totenschein und die Bescheinigung des Verzeichnisses letztwilliger Verfügungen. Sollte der Betroffene diese letzten beiden Dokumente nicht beibringen können, kann der Notar diese selbst beantragen.
Nachdem das Gesuch akzeptiert wurde, lädt der Notar die Gläubiger und Vermächtnisnehmer vor, damit diese dem Inventar beiwohnen können, sofern sie dies wünschen. Sollte die Identität oder der Wohnsitz derselben unbekannt sein, veröffentlicht der Notar Anzeigen am schwarzen Brett des Rathauses, das dem letzten Wohnsitz des Verstorbenen entspricht oder dem Ort, an dieser verstorben ist oder jenen Ort, in dem sich der größte Teil seiner Güter befindet, wo diese während des Zeitraums von einem Monat aushängen.
Das Inventar beginnt 30 Tage nach erfolgter Vorladung der Gläubiger und Vermächtnisnehmer und endet 60 Tage nach Beginn, wobei eine Verlängerung von bis zu einem Jahr erfolgen kann, sofern ein berechtigter Grund hierfür vorliegt. Das Inventar umfasst eine Aktivseite mit sämtlichen Gütern des Verstorbenen und eine Passivseite mit der Gesamtheit der Verbindlichkeiten.

Was bedeutet das Recht zur Abwägung?

Neben der Möglichkeit der spanische Erbschaftsannahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung gesteht das Bürgerliche Gesetzbuch den zur Erbschaft berufenen die Möglichkeit zu sich das Recht auf Abwägung vorzubehalten. Jene, die von diesem Recht Gebrauch machen, äußern sich anfänglich nicht darüber, ob sie die Erbschaft annehmen oder nicht, sondern verzögern ihre Entscheidung bis zu dem Zeitpunkt, an dem das zu diesem Zweck erstellte Inventar abgeschlossen ist.
Um von diesem Recht Gebrauch zu machen, muss der Betroffene dies dem befugten Notar in denselben Fristen, wie sie zuvor für die Anwendung des Vorbehalts der Inventarerrichtung genannt wurden, mitteilen. Anschließend muss er in der Frist von 30 Tagen ab dem der Beendigung des Inventars folgenden Tag erklären, ob er die Erbschaft annimmt oder auf diese verzichtet und im Fall der Annahme ob diese ohne Inventarerrichtung oder unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung erfolgt. Wenn nach Ablauf der Frist keine Erklärung vorliegt, gilt die Erbschaftsannahme ohne Inventarerrichtung.

Kann jemand verpflichtet werden eine Erbschaft anzunehmen?

Die Annahme und der Verzicht auf eine Erbschaft sind vollkommen freiwillige und freie Handlungen seitens jener, die zu einer Erbschaft berufen worden sind, so dass niemand gezwungen werden kann Erbe zu sein bzw. kein Erbe zu sein. Es ist jedoch möglich, dass jemand, der zu einer Erbschaft berufen wird, verpflichtet wird seinen Willen dahingehend zu erklären diese anzunehmen oder auszuschlagen.
Gemäß Artikel 1005 des spanischen Bürgerlichen Gesetzbuches kann jede Person, die ein legitimes Interesse daran nachweist, ob der Erbe die Erbschaft annimmt oder diese ausschlägt, einen Notar beauftragen, damit dieser den zur Erbschaft berufenen darüber benachrichtigt, dass dieser über die Frist von 30 Tagen verfügt, um zu erklären, ob er die Erbschaft annimmt oder diese ausschlägt. In diesem Fall nimmt der Notar ausdrücklich den Hinweis vor, dass, sofern dieser seine Entscheidung nicht in der genannten Frist erklärt, die Erbschaft als unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung angenommen gilt.

Welche Folgen hat die Erbschaftsannahme?

Durch die Erbschaftsannahme wird der zur Erbschaft berufene zum Erben und tritt dadurch in die gleiche Rechtsposition, die der Verstorbene hinsichtlich seiner Güter und Schulden innehatte. Dadurch kommt es zu einer Vermischung des Vermögens des Verstorbenen und des Vermögens des Erben. Dies bedeutet, dass der Erbe, sofern er die Erbschaft nicht unter Vorbehalt der Inventarerrichtung sondern ohne diesen angenommen hat, nicht nur mit der Erbmasse für die Schulden des Verstorbenen und das Erbe haftet, sondern auch uneingeschränkt mit seinen eigenen Gütern.

Vielen Dank an Diplom Betriebswirt und Steuerberater Marcos Vera-Stein von www.steinpartners.net für diesen umfassenden und informativen Beitrag.

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